Kursnummer | 6402 |
Leitung |
Thomas Kersting
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Datum | Donnerstag, 18.09.2025 19:00–20:30 Uhr |
Plätze | min. 10 / max. 25 noch genügend Plätze frei |
Entgelt | 8,00 EUR Wir bitten um eine vorherige Anmeldung. |
Ort |
VHS, Mülheimer Platz 1, Raum 1.11 (Saal)
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Auf einer der letzten Freiflächen der Innenstadt in Toplage am Rhein wollte die Stadt Bonn 1987 einen Luxus Hotelkomplex errichten lassen. Das Rheinische Amt für Bodendenkmalpflege rechnete hier mit Funden nicht nur aus römischer und mittelalterlicher Zeit, denn hier hatte sich das zu Beginn des 18. Jh. errichtete jüngere Judenviertel Bonns befunden, das mit der Zerstörung der Synagoge am 10.11.1938 und ihrem Abriss sowie im Bombenkrieg sein Ende fand. Die Freilegung der Synagoge ließ die Ausgrabungen zum Politikum werden.
Eine bezeichnende Parallele zu den Bonner Untersuchungen war die gleichzeitige Grabung in der Judengasse in Frankfurt am Main, die zu ungleich größeren politischen Verwerfungen führte. Das lag zum Teil an der größeren Bedeutung der Frankfurter jüdischen Gemeinde im Mittelalter und der frühen Neuzeit, aber sicher auch an der schärferen öffentlichen Wahrnehmung der Kulturmetropole Frankfurt als der des angeblich so provinziellen „Bundesdorfes“. Bei diesen Konflikten – zeitgleich bis hin zu parallelen Besetzungen der Grabungen und späteren polizeilichen Räumungen - stellte sich erstmals die Frage, wie mit materiellen Überresten jüdischen Lebens adäquat umzugehen sei. In der offiziellen Erinnerungspolitik stand bis dahin die Ermordung der Juden in der NS-Zeit im Fokus.
Die aktuelle Auswertung der Grabung in der Bonner Judengasse zeigt, dass sie (mit der in Frankfurt) den Beginn eines Wandlungsprozesses markiert: die Erweiterung der Perspektive der Archäologie auf die jüngste Geschichte und ihre Aspekte des Gedenkens - angesichts der in den Pogromen vom November 1938 zerstörten Synagogen und ermordeten Menschen. Diese waren nur der Auftakt für weitere Verbrechen in noch ungleich größerem Maßstab, dem mittlerweile in allen Bundesländern die Archäologie der Moderne und der Zeitgeschichte denkmalpflegerisch und wissenschaftlich, aber auch in der Vermittlung und politischen Bildung gerecht zu werden sucht.